RING DEUTSCHER BERGINGENIEURE e. V.  -  Bezirksverein Mitteldeutsche Braunkohle
 
 

 

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    Bilder, Ereignisse und Dokumente aus den zurückliegenden Jahren des Vereinsgeschehens


     1998 

     

    1998 gab der seinerzeitige Erste Vorsitzende unseres Vereins, Kamerad Eberhard Scholich, der Zeitschrift  bergbau  ein Interview, das viel Beachtung fand. Es ist ein Zeitdokument geworden. Deswegen wird es an dieser Stelle ungekürzt und unkommentiert wiedergegeben.

    Der RDB – ein Beispiel wie Menschen in Ost und West miteinander umgehen

    Interview mit Eberhard Scholich, Erster Vorsitzender des BV Mitteldeutsche Braunkohle

     
    Foto Eberhard Scholig
    Eberhard Scholich wurde 1937 in Breslau geboren. Nach dem Abitur begann seine Ausbildung mit einem Studium an der damaligen Bergingenieurschule „Georg Agricola“, Zwickau, das er als Geologieingenieur abschloß. Es folgte an der ehemaligen Bergingenieurschule „Ernst Thälmann“, Senftenberg, die Ausbildung zum Ingenieur für Tagebautechnik. Ein späteres Universitätsstudium an der Bergakademie Freiberg beendete Eberhard Scholich als Dipl.-Geologe. Seinen Berufsweg begann er als Betriebsgeologe im damaligen Braunkohlenwerk Mücheln. Er wurde dann Hauptgeologe in der ehemaligen VVB (Vereinigung Volkseigener Betriebe) Halle. Sein Berufsweg führte ihn weiter in das jetzt nicht mehr existierende Braunkohlenwerk Profen. Betriebshydrogeologe, Gruppenleiter Hydrologie/Entwässerung, Gruppenleiter Erkundung und Abteilungsleiter Geotechnik waren dort seine beruflichen Stationen. Bei der MIBRAG wurde Eberhard Scholich zunächst Stabsleiter. Seine berufliche Laufbahn endete als Direktor Tagebaue der Gruppendirektion Süd Ende 1993. Jetzt ist er Rentner. Seine Erfahrungen sind aber gefragt und führten zu einer freiberuflichen Tätiglkeit in einem mittelständischen Unternehmen.

    bergbau: Wurden aus Ihrer Sicht Hoffnungen erfüllt oder fühlten Sie sich vereinnahmt, als im Oktober 1990 die DDR der Bundesrepublik beitrat?

    Eberhard Scholich: Um diese Frage einigermaßen vollständig und auch für andere nachvollziehbar zu beantworten, müßte man ein Buch schreiben. Sie berührt meinen eigenen Entwicklungsweg der letzten 40 Jahre und meine Vorstellungen über das, von dem ich glaube, daß es für mein Leben wichtig ist.
    Vordergründig gesehen habe ich keinen Grund zum Klagen, im Gegenteil, uns geht es materiell sehr viel besser als zu DDR-Zeiten. Wir haben ein gesichertes Einkommen, die Kinder stehen alle im Beruf, die Enkelkinder wachsen in einem gesunden sozialen Umfeld heran.
    Da der Mensch ja bekanntlich nicht allein vom Brot lebt, kann bei dieser Frage die nichtmaterielle Seite nicht unerwähnt bleiben. Wer in der Vorwendezeit versucht hat, sein Leben und das seiner Familie bewußt nach dem eigenen Selbstverständnis auszurichten, der lebte „schon“ mit Konflikten – aber das gilt ja wohl für jede Gesellschaftsordnung und für jedes System. Mit dem radikalen Wechsel hin zu einer sozialen Marktwirtschaft, zu einer völlig neuen Gesellschaftsordnung, der sich ja praktisch über Nacht vollzog, gab es natürlich Probleme, diese Entwicklung für sich persönlich in kurzer Zeit nachzuvollziehen und einen eigenen, neuen Standpunkt zu finden.
    Die eigene „Ost“-Identität war ohne Persönlichkeitsverlust den neuen Gegebenheiten anzupassen. Da diese „Anpassung“ (im positiven Sinne) natürlich einen sehr viel längeren Zeitraum als der Beitrittsakt zur Bundesrepublik in Anspruch nahm, resultierten daraus innere Spannungen und Frustationen. Die Gesetze der Marktwirtschaft mußten im Unternehmen durchgesetzt werden, sollte die Mitteldeutsche Braunkohle und damit die Region noch eine Zukunft haben. Die neuen Realitäten, z. B. der sehr viel höhere Stellenwert des Geldes – oft ein überzogenes alleiniges Wertkriterium – mußten mit seiner eigenen Überzeugung möglichst in Übereinstimmung gebracht werden.
    Dieser oftmals schwierige Prozeß ist bei mir und bei den meisten Mitbetroffenen mittlerweile abgeschlossen.
    Gefragt ist weiterhin ein klarer kritischer Verstand, damit trotz aller notwendiger Anpassung und Umorientierung die eigene Identität nicht auf der Strecke bleibt.

    bergbau: Wie kam es zur Gründung des BV Mitteldeutsche Braunkohle?

    Eberhard Scholich: Der gesellschaftspolitische und wirtschaftsliche Umbruch in der Nachwende-Ära eröffnete u. a. die Möglichkeit einer umfassenden Information über technische, wirtschaftliche und personalpolitische Gegebenheiten in den alten Bundesländern. Den Wunsch vieler Bergingenieure aufgreifend, suchten wir nach Möglichkeiten, im Rahmen von Betriebsbesichtigungen und Fachgesprächen diesbezügliche Defizite abzubauen.
    Zum einen war es reine fachliche Neugier, z. B. mal einen Tagebau von Rheinbraun im Detail kennenzulernen. Zum anderen konnte damit der Vergleich zu unseren eigenen Betrieben erfolgen. Der Weg der Kontaktaufnahme über unsere neugeschaffenen Leitungsstrukturen war damals zu lang und zu kompliziert, zumal es uns darauf ankam, einen Informationsaustausch bis auf die Ebene der Fachingenieure zu ermöglichen.
    Über den damaligen Verantwortlichen für Verbandsarbeit in der Mibrag, Dr. Uwe Gert Müller, gelang es, Kontakte zum Vorstand des RDB, Kamerad Horst Mitzkat, aufzunehmen.
    Die erste Teilnahme an einer Barbara-Feier bei der Bez.Gr. Helmstedt mit vier Kollegen der Mitteldeutschen Braunkohle und die dabei empfundene freundliche Aufnahme bestärkten uns in dem Wunsch, einen eigenen BV zu gründen. Informationsveranstaltungen unter Teilnahme des gesamten Hauptvorstandes fanden reges Interesse und führten zur Gründungsveranstaltung am 02.04.1993. Seit diesem Datum gibt es den BV Mitteldeutsche Braunkohle.
    Die Unterstützung des damaligen Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Bilkenroth und des Gruppendirektor Süd der Mibrag, Herrn Mall, (beides sind Gründungsmitglieder) sowie die engagierte Arbeit des gesamten Bezirksvorstandes führten zu einer schnellen Stabilisierung unseres BV mit dem Ergebnis eines kontinuierlichen Mitgliederzugangs von 44 Kameraden zur Gründungsversammlung bis zur derzeitigen Vereinsstärke von 110 Mitgliedern.
    Nicht unerwähnt bleiben darf in diesem Zusammenhang die sehr persönlich geprägte, konstruktive Begleitung unserer Arbeit durch den Hauptvorstand in den ersten Monaten unseres Bestehens.

    bergbau: In den letzten Jahren wurde im Bereich Ihres BV die Kohleförderung stark reduziert; Sanierungsgesellschaften entstanden, um auslaufende Tagebaue planbergbau mäßig zu beenden und Rekultivierungsarbeiten durchzuführen; viele Ingenieure und Techniker schieden in den vorzeitigen Ruhestand aus. Gab es Probleme, den Mitgliederstand zu halten?

    Eberhard Scholich: Diese Frage kann ich mit einem klaren „Nein“ beantworten. Unsere Vereinsgründung fiel in eine Phase, die durch erhebliche Strukturveränderungen, Ausgründungen, Neuzuordnungen und Personalreduzierungen gekennzeichnet war. Kurz gesagt, es war die Zeit des Umbruchs in der Mibrag. Bei vielen Mitarbeitern herrschten Unsicherheit und Angst vor der weiteren beruflichen Zukunft.
    Aus dieser Situation heraus betrachtet war die Gründung eines BV mit 44 Mitgliedern als Erfolg zu werten. In meiner kurzen Einstandsrede auf der Gründungsversammlung wies ich seinerzeit auf diese Situation hin und auch darauf, daß Angst lähmt und kontraproduktiv wirkt, also gerade das Gegenteil dessen, was in dieser Zeit besonders gefragt war. Wir gingen als Vorstand voller Elan an die Vereinsarbeit. Mit vielfältigen und fachlich interessanten Exkursionen und Erfahrungsaustauschen sowie mit der Gestaltung anspruchsvoller Barbara-Feiern gelang uns die Ausstrahlung über den unmittelbaren Kreis unserer Mitglieder hinaus. Unser BV gewann an Bekanntheitsgrad und Attraktivität.
    Im wesentlichen wurden durch persönliche Gespräche unserer Mitglieder mit ihren Arbeitskollegen vor Ort Interessen geweckt, die zu einem kontinuierlichen Wachsen unserer Mitgliederzahl führten. Kurz gesagt, die Attraktivität unseres Vereinslebens überzeugte und glich damit viele Negativeinflüsse der eingangs geschilderten Situation aus.

    bergbau: Mit welchen Mitteln ist es gelungen, den BV für die neuen Rentner interessant zu halten?

    Eberhard Scholich: Das Bestehen eines Vereins von Bergbauingenieuren blieb auch den nicht mehr im Arbeitsprozeß befindlichen Bergleuten nicht verborgen. Es sprach sich herum, daß interessante Veranstaltungen durchgeführt wurden und daß die Möglichkeit besteht, mit seinen ehemaligen Arbeitskollegen zusammenzukommen.
    Darüber hinaus wurden von uns alle Möglichkeiten genutzt, im Rahmen von noch bestehenden Kontakten über unser Vereinsleben zu sprechen. Wir boten Betriebsbefahrungen in ihren alten Wirkungsstätten: Tagebaue, Veredlungsanlagen und Sanierungsbereiche, an.
    Darüber hinaus erfolgten auf unseren jährlichen Mitgliederversammlungen Kurzinformationen über die aktuelle Situation und den Entwicklungsstand der drei Bergbauunternehmen Mibrag mbH, Romonta GmbH und LMBV, Bereich Sachsen-Anhalt und Westsachsen/Thüringen. Das ist interessant, das kommt an. Dabei will ich nicht verhehlen, daß wir bisher nur einen relativ geringen Teil unserer Rentner erreicht haben. Leider haben sich viele in ihre private Nische zurückgezogen; der Bergbau ist für sie nur noch Erinnerung. Sie laufen Gefahr, sich sozial zu isolieren. Das Pflegen der Kontakte zu unseren ehemaligen Arbeitskollegen sehen wir auch unter diesem integrativen Aspekt und befinden uns damit in völliger Übereinstimmung mit den Bergbauunternehmen unserer Region.

    bergau: Wie gestalten sich die Kontakte zu anderen BV?

    Eberhard Scholich: Die Frage nach der Gestaltung von Kontakten zu anderen BV beinhaltet aus meiner Sicht die Frage nach dem Erscheinungsbild des Gesamtvereins.
    Jeder Verein – und mag er noch so groß sein – lebt nicht nur von den gemeinsamen Interessen seiner Mitglieder, sondern auch von den personalen Beziehungen untereinander.
    Meine bisherigen Erfahrungen haben mich darin bestätigt: Bergleute haben damit keine Probleme.
    In dem Zeitraum des nun nahezu 5jährigen Bestehens unseres BV entwickeln sich auf der Grundlage gegenseitigen Gebens und Nehmens intensive Kontakte zu einer Reihe von BV bzw. Bez.Gr. Genannt seien hierbei der BV Rheinische Braunkohle und die Bez.Gr. Helmstedt des BV Clausthal. Gute Kontakte bestehen bisher auch zu den BV Langendreer, Lausitzer Braunkohle, Westerzgebirge, Nordbayern und Essen-Katernberg. Weitere werden folgen.

    bergbau: Gibt es Chancen zur weiteren Ausweitung des RDB in den neuen Bundesländern?

    Eberhard Scholich: Mit Blick auf die Gewinnung neuer Mitglieder im Einzugsgebiet der vier bestehenden BV in den neuen Bundesländern denke ich, diese Frage mit einem „Ja“ beantworten zu können. In der Region der Mitteldeutschen Braunkohle sind in den drei Bergbauunternehmen trotz positiver Tendenz noch Defizite vorhanden, was Mitgliedschaft im RDB betrifft. Dabei bieten wir doch als betriebsübergreifender Verein die Möglichkeit, daß im Rahmen unserer Veranstaltungen ehemalige Arbeitskollegen wieder miteinander reden, ihre Befindlichkeiten austauschen und sich über fachliche Probleme ihres jeweiligen Arbeitsbereiches informieren können.
    Die Frage nach der Bildung neuer BV in den neuen Bundesländern ist schwieriger zu beantworten. In Regionen, in denen kein aktiver Bergbau mehr besteht, haben sich seit der Wende Interessengemeinschaften, Traditionsvereine und andere Gruppierungen gebildet, und es besteht im Allgemeinen wenig Neigung zur Mitgliedschaft in einem weiteren Verein. Als positives Beispiel kann der Interessenverein Bergbaugeschichte – Bergbautradition genannt werden, deren Mitglieder z. T. auch sehr aktive RDB-Mitglieder sind.
    Die Interessen zur Gründung von BV im Bereich der Bergakademie Freiberg, der Kali- und Salzindustrie in Bernburg und im Verwahrungs- und Sanierungsbergbau müßten nochmals ausgelotet werden.

    bergbau: Wie sehen Sie die Zukunft des RDB: Halten Sie es für sinnvoll, daß der RDB sich öffnet für z. B. den Techniker, der einen neuen Arbeitsplatz als Steinbruchmeister gefunden hat oder für den Ingenieurökonom, der jetzt als Betriebswirt in einem Energieunternehmen arbeitet?

    Eberhard Scholich: Die Zukunft des RDB ist mittel- und längerfristig eng mit der Entwicklung des Bergbaus verbunden. Es kommt aus meiner Sicht darauf an, diese Entwicklung weiterhin aufmerksam zu verfolgen und zu gegebener Zeit Aufgaben und Ziele des RDB neu zu definieren. Dabei sollte die Sorge über schwindende Mitgliederzahlen nicht alleiniges Entscheidungskriterium sein. Die Frage nach der Öffnung des RDB für Techniker und Ingenieure, die ehemals im Bergbau gearbeitet haben und nun auf andere Industriezweige ausweichen mußten, beantworte ich zustimmend. Nur stellt sich bei mir in diesem Zusammenhang die Frage nach dem Selbstverständins unseres Vereins. Diese potentiellen Mitglieder müssen sich mit ihren spezifischen Problemen und Anliegen im RDB wiederfinden. Dies muß dann in der Arbeit des RDB stärker berücksichtigt werden. In unserem BV gibt es noch vielfältige berufliche und persönliche Kontakte zu ehemaligen Arbeitskollegen, die jetzt in Kommunen, in Planungs- und Ingenieurbüros und anderen Einrichtungen arbeiten. Wir versuchen, diese Mitarbeiter für unseren BV zu gewinnen. Dort, wo es uns gelungen ist, bereichern sie unsere Vereinsarbeit.

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